Da sang die Fraue Troubadour (Literarisches Centralblatt)

Dolorosa, Da sang die Fraue Troubadour. Leipzig 1905. Leipziger Verlag. (96 S. 8) Geb. M 3.

Dolorosa (Fr. Maria Eichhorn-Fischer) überrascht in ihren Troubadourgesängen durch einen guten, im Gedicht “Lied von Genesung” ausgedrückten Vorsatz:

Da sang ich die perverse Qual
vergangner Tage lächelnd ein.

Aber Dolorosa täuscht sich selbst damit, denn schon ein paar Seiten weiter schildert sie ganz flott als etwas Originelles “eine heimliche, zärtliche Nacht zu Drei”. In “Five O’clock” macht sie den Leser damit bekannt, daß der Herr Edelfried, den sie als “Frau Troubadour” besingt, eigentlich ein glücklich verheirateter Philister ist, der sich gelegentlich Seitensprünge gestattet. Also, alles verkehrt. Hier der Troubadour eine Frau, die Besungene ein Mann und, wenn dieser auch “eine frouwe” wäre, so wäre sie schon längst in festen Händen. Frau Troubadour schildert sodann poetisch Fensterpromenaden vor dem Hause des Angebeteten. Während die Sängerin, soweit ihre Tätigkeit Herrn Edelfried betrifft, wenigstens weiß, was sie will, gibt sie im zweiten Teil ihrer Lieder, betitelt “Jardin des délices” auch dieses Wenige auf, wie folgende Stelle in “Mädchentrauer” zeigt:

Mit heißem Entzücken ließ ich ihn gehn, –
– – – oder – doch – vielleicht — ? —

Wenn die Reime nicht klappen wollen. so müßen sie, z. B.

Ein finstrer Drachen
Giert .. mit aufgesperrtem Rachen ..

Und sowas nennt sich Troubadourgesang!

Literarisches Centralblatt für Deutschland, 57. Jahrg., 27. Januar 1906, N. 3, Sp. 58-59. Online