Vom Gottsuchen der Völker

W. Schwaner. Vom Gottsuchen der Völker. Aus heiligen Schriften aller Zeiten. Germanenbibel- und Volkserzieher. Verlag, Berlin 1908. Dieser Gottsucher sucht offenbar auch die Wahrheit. Sein Programm berührt durchaus sympathisch. Nur hat er sich über das Judentum — er spricht freilich von Mosaismus — nicht gut beraten lassen. Es ist einem Laien gewiß manches nachzusehen. Doch ein Buch, das für die weiteste Oeffentlichkeit bestimmt ist und ein Volksbuch werden soll, muß die strengste Gerechtigkeit zu seinem obersten Gesetze erheben. Was über den Ursprung der Religion Israels gesagt wird, über den Gott “Eli” des “Babyloniers” Abraham und die “babylonischen und egyptischen Quadern” des jüdischen Gottesstaates, “die den Unterbau legen sollten zum Welttempel des Christentums” usw. schließt würdig ab mit dem Endurteil: “Als Rasse besteht das Judentum weiter, als Religion ist der Mosaismns am Sterben.” Alles genau nach dem Schema jener geschichtsklitternden Theologen, denen der Verfasser doch sonst zu folgen so wenig Laune zeigt. Die Uebersetzung der zehn Gebote bringt, von anderen Schnitzern abgesehen, natürlich auch im zweiten Gebot die dem “Gott der Rache” auf den Leib zugeschnittenen verworfenen Enkel und Urenkel “derer”, die mich Hassen. Sehr ungereimt nimmt sich ein Zitat aus Mos. Mendelssohns “Phaedra” (sic!) über den “Selbsterhaltungstrieb” aus. Auf S. 128 wird sogar Jesaias 11, 2, mit diesem ausdrücklichen Hinweis unter Lehren des Christentums angeführt. Um so angenehmer berührt es, daß doch das so viel umstrittene Gebot der Menschen- und selbst der Feindesliebe dem Judentum als ursprüngliches Eigentum zuerkannt wird (116), allerdings ein geringer Trost für so Vieles, was unbedingte Abweisung herausfordert. Immerhin ist das löbliche Streben des Verfassers über jeden Zweifel erhaben. Nur müssen wir ihm für eine etwaige neue Auflage eine gründliche Revidierung seiner Urteile über das Judentum und seine weltgeschichtliche Stellung dringend empfehlen. Nicht aus Nörgelei oder konfessioneller Befangenheit, sondern aus Liebe zu der Sache, die er vertreten will.

G.

Dr. Bloch’s Oesterreichische Wochenschrift (Wien), 25. Jahrg., 6. November 1908, Nr. 45, S. 793. Online