E. M. Lilien (Czernowitzer Tagblatt)

E. M. Lilien. Der Persönlichkeit des Künstlers, der hier demnächst einen Teil seiner Arbeit im Lichtbild repro­duzieren wird, wollen wir im folgenden einige Worte widmen. E. M. Lilien ist aus Drohobycz in Galizien gebür­tig, konnte dann die Akademie der Künste in Wien be-
ziehen. Da ihm der dort herrschende Geist aber nicht ge­
fiel, beschloß er bald eigene Wege zu gehen und wandte sich
nach München. Mit einer für seine Jugend bewunderswer-
ten Selbstbeherrschung spezialisierte er sich und widmete sich
ganz der Schwarzweißkunst, für die er so hervorragend be­
fähigt ist. Radiernadel und Tusche sind seine liebsten Tech­
niken. Die Münchener „Jugend” brachte als erstes
Titelköpfe und Einrahmungen von Lilien. Bald hatte er
dann Gelegenheit, sich als Illustrator einen Namen zu ma­
chen. Wir meinen damit nicht so sehr seine Bilder zuM
„Zöllner von Klausen”, als die Bilder und den sonstigen
Buchschmuck zu des Freiherrn Börries von! Münchhausen
Balladen „Juda”. Er erwies sich als ein meisterhafter
Zeichner und ebensolcher,Techniker in der Druckanordnung.
Seine allbekannten Illustrationen zu Rosenfelds Gedichten
bezeichnen vielleicht den Höhepunkt in dieser Periode seines
Schaffens. Diese Bilder geben beängstigende Eindrücke.
„Der Sturm”, „Die Thräne auf dem Eisen” sind von einer
Linienführung, daß sie einem unvergleichlich auf der Wachs-
tafel des Gedächtnisses eingegraben bleiben. Ter Wester-
maurische Verlag, der die große Bibelausgabe veranstalte,
hat mit richtigem Mick Lilien für ihre Illustration gewon­
nen. Dieses sein Meisterwerk, werden wir jetzt zu sehen
Gelegenheit haben. Aus längerem Aufenthalt in Palä­
stina erwachsen die Bilder aus dem Lande der Bibel. Der
Vollständigkeit halber, wollen wir noch erwähnen, daß Li­
lien, einer der bedeutendsten unter den lebenden Cx-IibrH-
Künstlern ist. Wir dürfen uns freuen, den großen Künst-
ler in Czernowitz zu empfangen.

Czernowitzer Tagblatt, 7. Februar 1914, S. 3. Online