Auf dem Fabrikhof

Auf dem Fabrikhof

Von Thekla Skorra

Drunten im öden Hofesraum
Steht ein einziger Blütenbaum,

Hell, wie Gedanken ferner Liebe,
Mitten im dumpfen Alltagsgetriebe.

Singt ihm kein Vogel sein Morgenlied vor,
Zittern nur macht ihn der Hämmer Chor.

Klirrendes Eisen und dröhnend Gefälle
Singen in Schlaf dich, verirrter Geselle.

Hasten viel Menschen ihm fremd vorbei;
Keiner hat Zeit: wie schön er auch sei.

Abends nur lugen vom Kellertor
Pförtners Willi und Trude empor.

Haschen sich heimlich mit Jubellaut
Rosige Zweiglein, wenn’s keiner erschaut.

Wissen dann sie, die der Lenz hier vergißt –
Baum so wie Kindlein, daß Frühling ist.

Wiener Hausfrau, 10. Jahrg., 10. Auhust 1913, Nr. 45, S. 10. Online