Trost

Trost

I.

Der Tod? Wer fürchtet denn den Tod?
Doch diese nur, die nie gelebt,
In trüber Dämmrung ihre Tage tatenlos verbracht.
Wer wild in heißem Schaffensdrange
Für’s Heil der Menschheit kühn gerungen,
An jedem Freudenbecher jubelnd sich gelabt,
Die Blüten, die die Liebe bot, keck hat umschlungen:
Der sinkt dereinst, dem ausgetollten Kindlein gleich,
Der Erde an die treue Mutterbrust,
Mit traumverlornem Lächeln,
Satt und – müde!
Der, dem die Lust ihr letztes Lied gesungen. [sic!] der fürchtet nicht den Tod,
Weil er das Leben stark bezwungen.

II.

Im taufeuchten Heidekraut
Berg’ ich die heiße Stirn,
Drüber der Himmel blaut,
Käferlein schwirrn.

Friede so wunderstill
Hauchet der Tann mir zu,
Menschensorg’ nimmer will
Rasten in Ruh.

Thekla Skorra

Das Magazin für Litteratur, 71. Jahrg., 15. Februar 1902, Nr. 7, S. 52. Online